Missbrauch in Heimen: Leben der Opfer "richtiggehend zerstört" von Michaela Reibenwein (Kurier)

  • Missbrauch in Heimen:
    Leben der Opfer "richtiggehend zerstört"

    Endbericht zu den Entschädigungen: Stadt Wien zahlte 2.384 Betroffene insgesamt 52 Millionen Euro.

    von Michaela Reibenwein (Kurier)


    Das Ausmaß des Kindesmissbrauchs ist schwer zu fassen. Neun Jahre lang haben die Stadt Wien und die Opferschutzorganisation Weißer Ring versucht, das Unrecht, das Kindern in Wiener Heimen angetan wurde, zusammenzufassen.

    Nun steht fest: 2.384 Betroffene wurden erfasst. Für Entschädigungen, Psychotherapie und andere Unterstützungen wurden 52,53 Millionen Euro aufgewendet.


    2384 Leben in Kinderheimen zerstört

    Die ersten Fälle von sexuellem Missbrauch, die in Österreich an die Öffentlichkeit gelangten, betrafen kirchliche Einrichtungen. Doch schon wenig später wurde klar: Auch Wiener Kinderheime waren betroffen. 2010 wurde mit der Aufarbeitung begonnen – die Fälle reichen bis ins Jahr 1945 zurück.


    Beim Projektstart ging man von einem Budgetbedarf von zwei Millionen Euro und einem knappen Jahr Gesamtdauer aus. Die Zahl der Meldungen überstieg die Erwartungen jedoch um ein Vielfaches. Acht Experten bearbeiteten 3.139 Meldungen.

    „Die Opfer haben Unfassbares erlebt, es ist unsere Pflicht als Stadt, unsere Verantwortung wahrzunehmen, geschehenes Unrecht ohne Relativierung anzuerkennen und uns dafür aufrichtig und zutiefst zu entschuldigen“, sagt Bürgermeister Michael Ludwig.


    Der amtsführende Stadtrat Jürgen Czernohorszky ergänzt: „Es handelt sich hier um ein Kapitel in der Geschichte unserer Stadt, das nie hätte geschrieben werden dürfen.“

    Die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen, die nicht mehr daheim bleiben können, hat sich wegen der Vorfälle drastisch verändert. Heime gibt es nicht mehr. Stattdessen wurden Krisenzentren und Wohngemeinschaften gegründet. Zudem wurde das Pflegeeltern-System massiv ausgeweitet.


    Dunkles Kapitel

    „Es ist für uns heute schwer zu verstehen, wie unsere Institutionen, die dem Kinderschutz verpflichtet sind, so vielen Kindern und Jugendlichen so unfassbares Leid zufügen konnte“, erklärt Johannes Köhler, der Leiter der Wiener Kinder- und Jugendhilfe. Doch die Aufarbeitung sei wichtig gewesen – speziell für die Betroffenen.

    „Ich hoffe, dass wir durch unsere Tätigkeit dazu beitragen konnten, ein Zeichen der Anerkennung des großen Leides zu setzen, das ihnen widerfahren ist“, meint Udo Jesionek, Präsident des Weißen Rings.


    Die Folgen des Missbrauchs sind noch immer präsent. Viele Betroffene sind noch immer psychisch beeinträchtigt. Etliche bekamen zudem nur eine mangelhafte Ausbildung – am Arbeitsmarkt können sie oft nicht teilnehmen. Mit 1. Juli 2017 wurde die Heimopferrente eingeführt, die zumindest die finanziellen Folgen etwas lindern soll. Zudem wurde allen Betroffenen Psychotherapie angeboten.


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